Mehr als zehntausend Menschen protestierten am Freitag, dem 30. Jänner 2015, gegen den Akademikerball deutschnational/-völkischer Burschenschaften in Wien. Allein an einer Demonstration der Offensive gegen rechts nahmen nach unterschiedlichen Angaben zwischen fünf- und neuntausend Menschen teil. Rund zweitausend kamen zu einer Kundgebung der Plattform „Jetzt Zeichen setzen“ auf den Heldenplatz. Hunderte weitere Personen beteiligten sich an weiteren kleineren Kundgebungen und zahlreichen Blockaden.
Eine vom NoWKR-Bündnis angemeldete Demonstration war von der Polizei untersagt worden. Zudem zeigte die Polizei einzelne dem NoWKR-Bündnis zugerechnete Personen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung an.
Die Polizei nahm laut eigenen Angaben 54 Personen fest. Zirka 150 Personen seien wegen strafrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Übertretungen angezeigt worden, so die Polizei. Bei vielen hunderten Personen wurden Identitätsfeststellungen durchgeführt. Nach offiziellen Angaben waren an diesem Abend 2.500 Polizist_innen im Einsatz. Nach inoffiziellen Angaben aus Polizeikreisen sollen es gar 4000 Polizist_innen gewesen sein.
Mehrere anreisende Busse wurden von der Polizei durchsucht. Ein Bus aus München wurde vor Wien angehalten und zurückgeschickt. Die_Der Lenker_in wurde von der Polizei zur Rückfahrt gezwungen, obwohl er dabei seine erlaubte Lenkzeit überschritt.
Zum ursprünglich vom NoWKR-Bündnis angekündigten Treffpunkt am Karlsplatz kamen nach der behördlichen Untersagung fast keine Demonstrant_innen. Wer trotzdem kam, wurde von der Polizei weggeschickt oder gleich mal einer Identitätsfeststellung unterzogen.
Die Demo der Offensive gegen rechts verlief weitgehend störungsfrei. Auch hier kam es aber zu Identitätsfeststellungen, die nicht weiter begründet wurden.
Das NoWKR-Bündnis hatte am Vortag die Vermutung geäußert, dass es sinnvoll erscheine, ab 18.30 in der Gegend rund um das Burgtor unterwegs zu sein, weil dort die zentralen Zufahrtswege der Ballgäste vorbeiführen dürften. Diese Einschätzung dürfte von vielen Antifaschist_innen geteilt worden sein. Es kam zu mehreren Blockaden im Bereich Volkstheater/Burgring. Mehrmals wurden Taxis blockiert, bis sie von der Polizei befreit wurden. Die Polizei versuchte, Demonstrant_innen zu trennen, abzudrängen und einzukesseln. Unzählig viele Identitätsfeststellungen wurden durchgeführt. Eine Demonstrant_in, die bei einem Polizeieinsatz das Bewusstsein verlor, blieb mehrere Minuten liegen. Weder kümmerte sich die Polizei um ihre Versorgung, noch ließ sie Demonstrant_innen zu ihr. Erst als Rettungskräfte kamen, wurden diese zu ihr gelassen. Die Demonstrantin überlebte trotz unterlassener und verhinderter Hilfeleistung. (Bei Bewusstlosigkeit besteht immer akute Lebensgefahr, da natürliche Reflexe wie Schluckreflexe nicht funktionieren.)
Eine Mahnwache der „Interventionistischen Linken“ hätte ursprünglich beim Mahnmal gegen Krieg und Faschismus bei der Albertina stattfinden sollen. Wegen des von der Polizei verhängten Platzverbots wurde sie auf den Neuen Markt verlegt. Von dort zogen die Teilnehmer_innen allerdings nach einem Auftritt des HOR 29 Novembar bis zu den Sperrgittern vor dem Mahnmal, und später weiter zum Schwarzenbergplatz. Eine dortige Sitzblockade wurde von der Polizei rasch aufgelöst. Als sich die Lage bereits beruhigt hatte, wurden zahlreiche Demonstrant_innen eingekesselt. An diesem Ort dürfte es die meisten Festnahmen des Abends und ebenfalls unzählige Identitätsfeststellungen gegeben haben.
Weitere Blockaden gab es beispielsweise in der äußeren Kärntner Straße, in der Löwelstraße und beim Getreidemarkt. Kleine Demonstrationszüge wurden unter anderem aus der Mariahilfer Straße und der Neustiftgasse gemeldet.
Vor dem Polizeianhaltezentrum bildete sich eine angemeldete Solidaritätskundgebung für die Gefangenen. Die Polizei erlaubte für kurze Zeit sogar, Teile der Fahrbahn zu benutzen. Nachdem ein Böller geflogen ist, griff sie einzelne Personen aus der Kundgebung und kesselte den Kundgebungsteil auf der Fahrbahn ein. Als niemand mehr wegkonnte, erklärte sie die Versammlung für aufgelöst und forderte auf, den Platz zu verlassen. Eine Aufforderung, der aufgrund des Polizeikessels keine_r nachkommen konnte. Alle Anwesenden wurden wegen Teilnahme an einer aufgelösten Kundgebung angezeigt, einige festgenommen.
Beobachter_innenteams der alternativen Gewerkschaftsgruppe AUGE/UG und des AK Grundrechte meinen drei den Polizeieinsatz des Abends prägende Taktiken ausgemacht zu haben:
Die Polizei habe Versammlungen wiederholt mit Reihen aus PolizistInnen durchzogen und so effektiv Zusammenballungen und Blockaden erschwert. Außerdem seien damit folgende Einkesselungen vorbereitet worden.
Auffällig sei auch der Einsatz so genannter “Greiftrupps” durch die Polizei gewesen. Mehrfach hatten die Beobachter_innen von AUGE/UG und AK Grundrechte Polizeieinheiten dabei beobachtet, wie sie mit und ohne Kamera eine regelrechte „Jagd“ auf Demonstrant_innen gemacht hatten.
Außergewöhnlich hoch sei auch die Zahl der Identitätsfeststellungen gewesen.
Ein ausführlicher Bericht der Beobachter_innen wurde angekündigt.
ORANGE 94.0 berichtete live von 17 bis 2 Uhr von fast allen Protestaktionen.
Eine halbstündige Zusammenfassung der neunstündigen Sendung kann hier gehört werden:
http://cba.fro.at/279220
Und dann gab es da noch den „Burscheschafter“ mit dem Kreuz: http://www.akademiker-ball.at/Balldemo.html
Die Rosa Antifa Wien kombinierte Informationen von Beobachter_innen, ORANGE 94.0 und auf Twitter in ihrem Ticker https://ticker.raw.at.