Der antinationale und antifaschistische Protest gegen den Ball deutschnational/völkischer Burschenschaften in Wien war auch diesmal wieder gänzlich verboten worden. Verhindern ließ er sich dadurch heuer aber nicht. Ganz und gar nicht.
Die Fehler des letzten Jahres sollten nicht noch einmal begangen werden. Das erklärten Personen aus dem zur Demo aufrufenden antinationalen Bündnisses bereits Tage zuvor in einem Interview auf Radio Orange 94,0. Es sollte nicht wieder in die Falle eines Polizeikessels gelaufen werden.
Während sich die Polizei mit der Untersagung der Demonstration Wochen Zeit gelassen hatte, um zu verhindern, dass darauf noch sinnvoll reagiert werden kann – es scheint, als habe die Behörde damit spekuliert, dass es nach so langer Mobilisierung nicht mehr gelinge, Demonstrant_innen davon abzuhalten, zum Treffpunkt Praterstern zu fahren und der Polizei in die Arme zu laufen – reagierte das Bündnis prompt. Sofort wurde über alle zur Verfügung stehenden Kanäle aufgerufen, nicht zum Praterstern zu kommen, sondern sich am Tag der Demo beim Infopoint im Unicampus über die weitere Vorgehensweise zu informieren.
Eine von der Polizei als Ersatz für die untersagte Demonstration vorgeschlagene Standkundgebung im Sigmund-Freud-Park wurde sicherheitshalber vonseiten der ÖH noch rechtzeitig angemeldet. Unter dem Vorwand, dass es Donnerstagabend auch eine nicht angemeldete Spontandemo gegeben habe, untersagte die Polizei Freitag aber auch die von ihr selbst vorgeschlagene Veranstaltung.
Freitag um 17 Uhr sammelte sich am Praterstern schließlich nur die Polizei. Demonstrant_innen kamen zum Infopoint oder zu anderen über klandestine Kanäle oder auch offen über Twitter und Radio Orange 94,0 verbreitete Treffpunkte, oder trieben sich einfach mal abwartend und beobachtend in der Nähe herum.
Letztendlich sorgten bis zu vier voneinander unabhängige Demozüge zu Fuß oder auf Fahrrädern an verschiedenen Stellen der Stadt für die bislang vielfältigsten und kreativsten Proteste gegen das Rechtstextremist_innentreffen in der Hofburg.
Mit der Polizeistrategie am meisten zu kämpfen schien die Polizei selbst zu haben, die nur langsam die vielen Protestaktivitäten halbwegs in den Griff bekam. Wo es ihr gelang, setzte sie wie schon mit den Untersagungen auf Eskalation. Einige Demonstrant_innen wurden mitunter stundenlang eingekesselt.
Andere Demonstrant_innen konnten währenddessen für kurze Zeit wichtige Straßenzüge lahmlegen. Komplettiert und perfektioniert wurde das Verkehrschaos allerdings durch die Polizei, die ebenfalls etliche Straßen und möglichst viele Straßenbahnlinien blockierte, für den Fall, dass da auch Demonstrant_innen vorbeikommen sollten.
Immer wieder gelang es Demonstrant_innen, sich über SMS und Twitter an wechselnden Standorten neu zusammenzufinden. Bestens bewährt hat sich das bereits im Vorfeld propagierte Bezugsgruppenprinzip, das erlaubte, flexibel auf Polizeipräsenz reagieren und unter Minimierung behördlicher Eingriffe agieren zu können.
An über offene Kanäle wie Twitter oder Radio Orange verbreiteten Treffpunkten kam die Polizei mitunter vor den Demonstrant_innen an. Immer wieder gelang es der Polizei auch, Demonstrant_innen aufzuhalten, zu Identitätsfeststellungen zu zwingen und mitunter auch festzunehmen. Ein_e Demonstrant_in dürfte dabei verletzt worden sein, Hilfeleistung durch Sanitäter_innen sei verhindert worden, hieß es. Journalist_innen, eine Gemeinderätin und andere, die sich darüber, sowie auch über weitere Festnahmen und gewalttätigen Fixierungen von Demonstrant_innen am Boden der Polizei ein Bild machen wollten, wurden von der Polizei daran gehindert.
Ein Kameramann wurde sogar festgenommen.
Insgesamt dürften es vier Festnahmen gegeben haben. Die meisten Personen wurden noch rund um Mitternacht wieder freigelassen, die letzte laut Auskunft der Rechtshilfe erst am Samstag.
Insgesamt waren an den Protesten hunderte Menschen beteiligt, die sich aufgrund der Vielfältigkeit nicht zählen ließen. Ein Gesamtbild der Aktionen – von einzelnen Demozügen über Clownsarmyeinsätze, Polizeieinkesselungen durch Ringelreihen tanzende Demonstrant_innen, Fahrraddemos, radikal queere Luftballons in öffentlichen Verkehrsmitteln bis zu erfolgreichen Aufrufen an Taxler_innen, keine Gäst_innen zum WKR-Ball zu chauffieren – kann bestenfalls beim Durchstöbern der verschiedensten Text-, Audio- und Videoberichte gewonnen werden:
Radio Orange 94,0 berichtete in zwei Sondersendungen live von den Protesten.
Eine Aufzeichnung der insgesamt siebeneinhalb Stunden langen Sondersendung (17.00 bis 17.30 und 18.15 bis 1.15 Uhr) kann hier downgeloadet werden:
>>ORANGE-94,0-Sondersendung in 9 Teilen
>>27-Minuten-Zusammenfassung der Sondersendung vom 28. Jänner 2011
Übersichtlicher Bericht mit vielen weiteren Links:
http://fm5ottensheim.blogspot.com/2011/01/no-wkr-2011-die-verbotene-demo.html
weitere Berichte:
http://linksunten.indymedia.org/de/node/33017
http://linksunten.indymedia.org/en/node/32965
weiterer Radiobericht:
>>Dokumentation der Proteste von Herby Loitsch („Trotz Allem“)
Videos:
http://wientv.org/#video-1452
http://youtu.be/5wIMObVHkJg
http://youtu.be/qYBpX2iufnw
http://youtu.be/7Km31MMw5ew
http://ichmachpolitik.at/questions/1013
http://ichmachpolitik.at/questions/1014
http://ichmachpolitik.at/questions/1015
http://ichmachpolitik.at/questions/1017
http://ichmachpolitik.at/questions/1019