Bis zu 1700 Personen Personen (nochrichten.net-Zählung beim Burgtor, zuvor am Ring gleich nach der Uni waren es etwas mehr als 1500) demonstrierten am Abend des 8. Mai von der Uni auf den Heldenplatz, um die Befreiung vom Nationalsozialismus zu feiern und gegen die Ehrung von Nazihelden durch Rechtsextreme aus WKR und FPÖ zu demonstrieren. Weitere Menschen – nach verschiedenen Angaben auch bis zu 1000 – waren bereits direkt zur Befreiungsfeier und antifaschistischen Kundgebung auf den Heldenplatz gekommen.
Während in den vergangenen Jahren die Polizei stets ausschließlich den ungestörten Ablauf des Nazigedenkens sicherzustellen trachtete, und dazu über Heldenplatz und Umgebung ein ausgedehntes Platzverbot verhängte, wurde diesmal auch eine antifaschistische Kundgebung erlaubt, die von einer Plattform von kleinen antifaschistischen Gruppen bis hin zu Hochschüler_innenschaft, Grünen, Sozialistischer Jugend und Israelitischer Kultusgemeinde organisiert worden war. Ebenso genehmigt wurde eine Demonstration von der Uni Wien über den Ring und durch das Burgtor zur antifaschistischen Bühne, die in der Nähe des Durchgangs Richtung innerer Burg und Michaelerplatz aufgebaut war.
Den Vorstellungen der Polizei nach sollten die Teilnehmer_innen der antifaschistischen Demonstration nach dem Durchschreiten des Burgtors zu ihrer Bühne weitergehen, dann sollte das Burgtor von der Polizei dicht gemacht werden, und dann hätten die Rechtsextremen in Ruhe ihre Angelegenheiten erledigen sollen.
Allerdings blieben hunderte Antifaschist_innen gleich nach dem Burgtor stehen, und waren somit nur eine Fahrbahnbreite und ein paar Reihen Tretgitter vom jenem Platz entfernt, an dem die Rechten ihren Helden gedenken wollten.
Dieses Totengedenken musste somit mit lauter Untermalung durch antinazistische Sprechchöre, Partisan_innenlieder, Pfeifkonzerte und ein paar Böller vonstatten gehen.
Kaum hatten die Burschenschaften unter lauten Missfallensbekundungen von der anderen Straßenseiten vor der Krypta beim Burgtor Aufstellung genommen, stürmten Polizist_innen in die Antifaschistische Kundgebungen, und stießen Demonstrant_innen unter Zuhilfenahme von Fäusten, Ellbogen und Knien zumindest scheinbar konzeptlos hin und her. Kurz sah es aus, als ob nun alle niedergeprügelt werden sollten. Dazu kam es aber nicht. Die Polizist_innen nahmen entlang der Tretgitter Aufstellung und verhielten sich in der Folge ruhig.
Die Demonstrant_innen bildeten Ketten und verhielten sich laut. Sehr laut.
Als die Rechten fertig gedacht hatten und bereits wieder abgezogen, sagte die Polizei über einen Lautsprecherwagen irgendwas unverständlich durch, woraufhin die Polizist_innen bei den Tretgittern wieder Anstalten machten, auf die Demonstrant_innen loszugehen. Die Demonstrant_innen wichen nun aber ihrerseits, nachdem sie die rechtsextreme Kundgebung ohnedies bereits erfolgreich gestört hatten, zurück und begaben sich nun – endlich – zur Kundgebung bei der kleinen Bühne, die allerdings gerade zu Ende ging. Es war nur mehr zu hören, wie sich auf der Bühne bei der Polizei für den Schutz der Veranstaltung bedankt wurde. Die vom Burgtor kommenden Demonstrant_innen konnten sich dem allerdings nicht so wirklich anschließen.
Nach der Demonstration kam es für kurze Zeit vor der Universität Wien zu Problemen mit der Polizei. Es war davon die Rede, dass Demonstrant_innen eingekesselt werden sollten, wozu es aber letztlich nicht kam.
Vor dem von Burschenschaftern frequentierten Lokal „Kupferdachl“ in der Schottengasse bildete sich noch eine Menschentraube, als bekannt wurde, dass sich dorthin zahlreiche Teilnehmer_innen des rechtsextremen Totengedenkens zurückgezogen haben. Als die Polizei aufrief, die Fahrbahn zu verlassen und auf den Gehsteig zu gehen, kamen dem die Demonstrant_innen aber nach. Als die Polizei die Demonstrant_innen daraufhin in Richtung Schottentor drängte, gingen die Demonstrant_innen Richtung Schottentor. Als die Polizei auf die Richtung Schottentor gedrängten Demonstrant_innen von der anderen Seite mit Greiftrupps und Polizeihunden losstürmte, gab es allerdings keine Möglichkeit mehr, sich genehm zu verhalten, Anordnungen Folge zu leisten oder zumindest zu fliehen. Mehrere Demonstrant_innen wurden zu Boden gerissen, getreten, weggezerrt und zum Teil festgenommen. Einige kamen mit einer Identitätsfeststellung davon, andere wurden vermutlich ins Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände gebracht.
Die Rechtshilfe konnte Sonntagabend drei Festnahmen bestätigen. Zumindest diese drei Personen wurden noch in der Nacht auf Montag wieder freigelassen.
Aktuelle Informationen gibt es auf https://at.indymedia.org.
Die Grünen feierten auch bereits Sonntag um 11 Uhr am Heldenplatz die Befreiung vom Nationalsozialismus vor 66 Jahren, nicht ohne auch auf die Kundgebung am Abend hinzuweisen. Ebenso gefeiert wurde wie mittlerweile jedes Jahr auch wieder beim „Denkmal für die Soldat_innen der Sowjetarmee, die für die Befreiung Österreichs vom Faschismus gefallen sind“, am Schwarzenbergplatz. Dazu aufgerufen hatte die Basisgruppe Politikwissenschaft. Rund 150 Personen beteiligten sich daran.
Abschließend noch einen Dank an jene, die bei der Auftaktkundgebung vor der Universität Wien das Konzept vorstellten, Bezugsgruppen zu bilden und gegenseitig aufeinander aufzupassen, und die auch jene nicht vergaßen, die allein oder nur zu weit gekommen waren, und auch ihnen Möglichkeit zeigten, sich noch zu Bezugsgruppen zusammenzufinden.
Lange Zeit funktionierte es auch, zum gegenseitigen Schutz in Ketten zu gehen, bis irgendwer zu „Stop and Go“ (also Stehenbleiben, Runter-Zählen von 10 bis 0, Losrennen, …) aufrief, was die Demo zerriss, zu einem Auflösen mehrerer Ketten führte, und langsamere Demonstrant_innen veranlasste, auf den Gehsteig auszuweichen. Erst nach dem Burgtor funktionierte das Kettenbilden wieder.
Ergänzung:
Leut einer auf Indymedia geposteten Ergänzung zu diesem Text sei es einer Gruppe von vielleicht 40 bis 50 Antifaschist_innen gelungen, am Weg zurück zur Uni durch Hinterhöfe und ein Restaurant zum Sammelpunkt der sicher über 150 Rechtsextremen vorzudringen. Dabei sei es beinahe zu einer Konfrontation gekommen, lediglich ein einzelner Polizist habe versucht, die beiden Gruppen zu trennen. Als sich allerdings einige rechtsextreme Schläger aufbauten und die Antifas zum Kampf aufforderten, haben sich diese klugerweise umgedreht. Außerdem seien Polizist_innen angerannt gekommen, die sich nicht entscheiden konnten, ob sie Antifas festhalten oder vertreiben sollten. Ein Einsatzleiter habe den Antifas zugerufen „Seid’s deppert, es seid’s in da Sperrzone!“
Es dürfte aber keine_r festgehalten worden sein. Soweit die Schilderungen in der Ergänzung auf Indymedia.
Radiobeiträge:
>>Mitschnitt der Liveberichte von der Demonstration auf Radio Orange 94,0
>>Mitschnitte von den Reden auf der antifaschistischen Kundgebung – zur Verfügung gestellt von „Trotz Allem“
>>Ausschnitte aus dem „Totengedenken“ deutschnationaler Burschenschaften am 8. Mai 2011
weitere Berichte:
>>Bericht im Freien Medium Ottensheim
>>Indymedia-Liveticker