Rund 200 Rechtsextreme (eigene Zählung) beteiligten sich am 9. September 2017 an einem als „Gedenkzug“ an die Schlacht am Kahlenberg 1683 bezeichneten Marsch vom Kahlenberg zum Leopoldsberg, zu dem die „Identitäre Bewegung Österreich“ aufgerufen hatte.
Schon beim Aufbrechen gab es Verzögerungen, weil sich einige Teilnehmer*innen verspätet hatten. Zum einen weil wegen des Sammelpunkts der Identitären am Parkplatz die Autobuslinie 38A zwischen Wagenwiese und Kahlenberg eingestellt wurde. Zum anderen weil schließlich wegen einer antifaschistischen Demonstration von der Wagenwiese zur Höhenstraße die wichtigste Zufahrtstraße blockiert war. Viele Identitäre mussten großräumig über Klosterneuburg ausweichen. Aber selbst auf dieser Ausweichroute soll es zu Behinderungen durch Materialblockaden gekommen sein, die einen Rückstau ausgelöst haben sollen, berichtete die „autonome antifa [w]“ unter Berufung auf Twitter-Quellen.
Als die Rechtsextremen um 19 Uhr endlich bereit waren aufzubrechen, wurde die Route des „Gedenkzugs“ geändert.
Angekündigt war eigentlich ein Marsch zum Cobenzl. Das sei aber nur ein Täuschungsmanöver gewesen, erklärte ein Redner der Identitären. Wahrscheinlicher scheint es, dass die Route wegen der antifaschistischen Demonstration von der Wagenwiese zur Höhenstraße – zwischen dem Treffpunkt der Rechtsextremen bei der Kahlenbergkirche und dem Cobenzl – geändert wurde. Dafür spricht, dass ursprünglich auch ein anschließender Besuch einer Gaststätte am Cobenzl geplant gewesen war.
(Zuerst hatten die Identitären eine Reservierung beim „Café & Schloss Cobenzl“ versucht. Die Betreiber*innen verurteilten aber öffentlich über Facebook den – wie sie schrieben – „sogenannten Fackelmarsch der neoXXXX Identitären“, schlossen das Lokal demonstrativ vorzeitig um 18 Uhr und kündigten an, den Erlös des Verkaufs jedes kleinen Braunens an das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands zu spenden. Danach reservierten die Identitären beim „Waldgrill Cobenzl“. Doch auch der Waldgrill stornierte rasch die Reservierung.)
Weiters spricht für die These, dass der rechtsextreme Gedenkzug wegen der Antifademo kurzfristig die Route änderte, dass die erste Hälfte des rechtsextremen Gedenkmarsches vom Kahlenberg Richtung Leopoldsberg – bis zur Elisabethwiese – als von der Polizei geduldeter Spaziergang zurückgelegt werden musste. Nur die letzten 1000 Meter durfte als Demonstration mit Fahnen, Transparenten und Fackeln marschiert werden.
Und selbst mitten im Wald wurde der Demonstrationszug noch ausgebremst. Drei Kinder in Begleitung von zwei Erwachsenen – keine Ahnung wo die plötzlich hergekommen waren, aber bei der Elisabethwiese gibt es einen großartigen „Waldseilpark“ – spazierten lange Zeit seeeehr langsam vor den Rechtsextremen und ließen sich von auf sie einredenden Identitären nicht aus der Ruhe bringen.
Bei Ansprachen vor der Kahlenbergkirche, bei der Elisabethwiese, irgendwo im Wald und schließlich am Rande der Burg am Leopoldsberg wurde an die Zurückschlagung der osmanischen Armee und insbesondere an die Schlacht am Kahlenberg am 12. September 1683 erinnert, bei der „das Schickal Europas entschieden“ worden sei. Für Marco d’Aviano, Prinz Eugen und Jan Sobieski, „für unsere Helden und Heiligen, für die Märtyrer, und für die großen Männer und Frauen Europas, die gekämpft haben, damit Europa weiter bestehen kann, in der Versicherung, dass auch wir kämpfen werden, dass Europa weiter bestehen kann“ werde ein Zeichen gesetzt, so Martin S., einer der „Leiter“ der Identitären Bewegung Österreich.
Es wurden Reden von „Graf Ernst Rüdiger von Strachenberg“ (sic!) verlesen. Und Martin S. fragte sich, was sich einer der damaligen Kämpfer denken würde, wenn er heute mit der U6 durch Wien fahren würde. Außerdem: Sie seien das Volk, Wien sei ihre Stadt, „das hier“ ihr Land, Europa ihr Kontinent und sie würden ihn sich „gemeinsam zurückholen“. Sie würden sich gegen den Austausch wehren. Sie würden nicht zulassen, dass unter ihren Augen „Wien fällt“, dass unter ihrer „Wache“ „Österreich untergeht“. Sie würden kämpfen, „damit in hundert Jahren, in einer ungebrochenen Tradition dieses Gedenkzuges, unsere Nachkommen stehen werden, und genauso mit stolz geschwellter Brust sagen können: ‚Unsere Vorfahren waren Helden!‘“ Und so weiter.
Zum Abschluss wurde gemeinsam gesungen. Die Auswahl des Liedguts erfolgte nicht sonderlich traditionsbewusst. „Die Arbeiter*innen von Wien“ wurden kurzerhand umgedichtet in „Verteidiger von Wien“.
Einen derartigen Umzug wollen die Rechtsextremen fürderhin jedes Jahr machen.
An der antifaschistischen Demonstration gegen den rechtsextremen Aufmarsch nahmen laut einem Bericht der „autonome antifa [w]“ zwischen 150 und 200 Personen teil. Die Antifaschist*innen zogen von der Wagenwiese über die Cobenzlstraße zur Höhenstraße und blockierten dort die Anreise einiger Rechtsextremer zu deren „Gedenkmarsch“. Danach zogen die Antifaschist*innen nach Grinzing, wo sie die Demo auflösten. Die antifaschistischen Aktivitäten bezeichnete die „autonome antifa [w]“ als relativen Erfolg. Den Identitären sei es zwar gelungen, Bilder zu inszenieren, sie hätten aber ihren Aufmarsch wie schon 2014, 2015 und 2016 nicht wie geplant durchführen können. Deren Anreise sei stark verzögert worden und Lokalreservierungen seien storniert worden. Die antifaschistische Demonstration „verschiedener Spektren der Wiener Linken“ sei hingegen „lautstark, durchwegs von guter Stimmung geprägt“ gewesen und „ohne Ärgernisse und Repression“ verlaufen.