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Tausende Menschen beteiligten sich auch heuer wieder an der bereits siebzehnten Regenbogenparade.
Dieses Jahr gab es auch – vermutlich erstmals – eine Gegendemonstration katholischer Fundamentalist_innen, die unter anderem von der Christen-Partei-Abspaltung „Christen-Allianz“ und der „Österreichischen Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum – TFP“ bzw. ihrer Proponent_innen unterstützt wurde. So galt etwa Christen-Allianz-Gründer Alfons Adam als Mitorganisator. Andere Teilnehmende waren manchen Beobachter_innen als Kämpfer_innen gegen Frauenrechte bekannt, wie Aktivist_innen von Babycaust- und Vaterrechtsinitiativen. Aufrufe zu Protest und Gebet gegen die Regenbogenparade fanden sich auch auf der Facebook-Pinwand der Jes, geschrieben von Michael Koder, der als Veranstaltungsleiter fungierte. Von ihm stammte auch ein Aufruf auf der Site von gloria.tv, in dem zu lesen war: „Wenn uns unsere Kinder einst fragen werden, wo wir denn gewesen sind, als der Sittenverfall in einer zunehmend kinderfeindlicheren Kultur in vollem Gange war, werden wir antworten, dass wir an vorderster Front im Schlachtgetümmel waren.“
Zum prophezeiten Schlachtgetümmel kam es aber nicht, sondern schlimmer: zu Ausbrüchen unsittlicher Liebe. Kaum wollten die katholischen Fundamentalist_innen am Stock-im-Eisenplatz unweit des Stephansdoms mit ihrer Kundgebung anfangen, begannen unzählige Menschen rund um sie, sich gegenseitig zu küssen, und das überwiegend „gleichgeschlechtlich“. Botschaften und Gebete, die über eine Laustprecheranlage verbreitet werden sollten, gingen in Rufen gegen Homophobie, Sambaklängen und Pfiffen unter.
Und nachdem Koder im Aufruf noch die drohende Verführung von Kindern durch Gesänge wie „Eure Kinder werden so wie wir, eure Kinder werden alle queer“ beklagte, bekam er und seine rund vierzig Mitkämpfer_innen auch dieses Gstanzerl zu hören.
Zum Kiss-in gegen Homophobie hatte das „Linke Hochschulnetz“ aufgerufen, zu einer Kundgebung „gegen homophobe Christenfundis“ die Initiative „gottlos.at“ zusammen mit der „TU*Basis“.
Küssende und tanzende Menschen zogen um die für das sittliche Fundament ihres Vaterlandes streitenden Märtyrer_innen herum, mitunter auch mal quer durch ihre Gruppe durch. Polizist_innen standen erst irgendwie mittendrin, bildeten dann eine Sperrkette, konnten sich aber nicht wirklich durchsetzen, oder versuchten dies auch nicht wirklich engagiert. Rasch war die sittliche Trotzburg wieder von sexuell Ausschweifenden umgeben. Und obendrein mischten sich auch immer mehr begeisterte Tourist_innen mit den Demonstrant_innen aller Richtungen.
Ein antihomophober Demonstrant wurde einer Identitätsfeststellung unterzogen, nachdem ein Plakat der Katholik_innen zerrissen worden sein soll. Anzeige gebe es aber nur, wenn die Katholik_innen diese erstatten, sei ihm von der Polizei versichert worden, so der Beamtshandelte.
Nach zirka einer halben Stunde wurde zur Oper losgezogen: Voran fuhren und gingen vierzig katholische Fundamentalist_innen, zweihundert weitere Menschen folgten ihnen an ihren Forderungen und Gebeten lauthals Kritik übend. An einer Fahrbahnverängung versuchte die Polizei die Teilnehmer_innen an dem ungleichen Umzug zu trennen. Über parallele Gassen ausweichend, fanden aber dennoch bei der Oper wieder alle zusammen.
Neben der Oper, am Herbert-von-Karajan-Platz, bot sich bald das gleiche Bild wie am Stock-im-Eisen-Platz: Streithafte Christ_innen umgeben von Gegendemonstrant_innen und dazwischen die eine oder andere Reihe Polizist_innen.
Um Viertel Sechs – vielleicht, weil damit zu rechnen war, dass bald die Regenbogenparade auf der Ringstraße vorbeiziehen wird – verstärkte die Polizei ihre Bemühungen, die Veranstaltungen zu trennen. WEGA kam zu Hilfe und drängte die Antichrist_innen weg. Auch Polizeihunde wurden eingesetzt, wenn auch an der Leine gehalten. Die Polizei beruhigte sich erst wieder, als ein Abstand von zirka zwanzig Metern zwischen den Kundgebungen hergestellt war.
Weiter wurden Parolen gerufen und gesungen: „Eure Kinder werden so wie wir …“. Ein Polizeihund bellte im Takt dazu.
Um 18 Uhr packten die Christ_innen zusammen, gingen und fuhren weg, zumindest scheinbar. Als kurz darauf die Regenbogenparade zur Oper kam, sei ihr von einer Gruppe betender Christ_innen kurz der Weg versperrt worden, berichtete die Hosi Wien.
Die Kritiker_innen des christlichen Fundamentalismus schlossen sich, zumindest großteils, der Regenbogenparade an, die heuer erstmals ganz um den Ring herum führte, vom Rathausplatz zum Rathausplatz – wie schon letztes Jahr allerdings nicht „andersrum“, sondern in Einbahn-Richtung. Verkehrsmäßig andersrum waren lediglich zumindest zur Hälfte die Wiener Linien unterwegs, die mit zwei mit Regenbogen geschmückten Arbeitsfahrzeugen auf beiden Gleisen die Parade begleiteten.
Den Abschluss bildete die Pride Show am Rathausplatz, bei der bis in die Nacht gefeiert wurde.
Dass die Regenbogenparaden-Website während der Parade nicht erreichbar war, sei laut Hosi Wien übrigens nicht an einem Hacker_innenangriff gelegen, sondern vielmehr an zu vielen interessierten Zugriffen, die der Server nicht mehr verkraftet habe.
Warum von den vielen überwiegend kommerziellen Werbungen, die die Pride-Show-Bühne umrahmten, just eines der wenigen politischen Unterstützer_innenbanner überklebt wurde, erscheint ein wenig fragwürdig. Bei der Forderung nach Solidarität mit verfolgten Lesben und Schwulen im Iran prangte das Logo der Initiative „Stop the Bomb“, von dem zuerst „the Bomb“ und während der Schlussveranstaltung dann auch noch „Stop“ mit schwarzem Klebeband überdeckt wurde. Die Veranstalter_innen der Pride-Show (die nicht mit jenen der Parade ident sind) erklärten das auf Anfrage so:
„In der Nacht hat von Fr auf Sa – da wurden die Banner bei der Bühne aufgehängt – gab es etliche mündliche und schriftliche Beschwerden, dass der Stop-The-Bomb-Verein eine undifferenzierte und einseitige Politik vertritt. Daraufhin wurde das Wort ‚Bomb‘ abgeklebt. Ein Gespräch mit dem Verein sollte stattfinden, um zu einer Lösung zu gelangen, leider war es aus Zeitgründen und aufgrund der Kurzfristigkeit nicht möglich, dem nachzukommen – dafür entschuldigt sich der CSD-Vienna-Verein. Als eine Vertreterin vom Stop The Bomb das abgeklebte Wort ‚Bomb‘ sah, verlangte sie die völlige Abklebung des gesamten Logos.“
Stop the Bomb bat unterdessen um eine ausführlichere Stellungnahme gefordert. Selten haben sie ein so unprofessionelles, unsolidarisches und intransparentes Verhalten erlebt wie bei diesem Umgang mit dem Stop-the-Bomb-Banner an der Hauptbühne, erklärte Simone Dinah Hartmann für Stop The Bomb.