Dienstag um 18 Uhr war es Gewissheit. Alle acht am Sonntag festgenommenen Refugees aus dem Servitenkloster sind abgeschoben. Bis dahin wurde noch vor dem PAZ Rossauer Lände und am Flughafen versucht, einzugreifen, wurde versucht, die Refugees zu retten.
Am Flughafen wurden Passagier_innen infrage kommender Flüge über die Abschiebungen und die Möglichkeiten, sie als Passagier_in zu verhindern, informiert.
Bei zumindest vier Flügen hat es auch tatsächlich Proteste von Reisenden gegeben. Verhindert konnten die Abschiebungen damit aber nicht werden. Die solidarischen Passagier_innen wurden von der Polizei aus dem Flugzeug geholt oder verließen es freiwillig. Eine Passagierin wurde bis in den späten Abend von der Polizei festgehalten.
Mit welchen Flügen die Refugees einzeln oder in kleinen Gruppen abgeschoben wurden, blieb bis zuletzt unklar. Von der Möglichkeit, sich zumindest verabschieden zu können, konnte keine Rede sein.
Während die Abschiebungen noch im Gange waren, nahm die Polizei vermutlich fünf Personen wegen des Vorwurfs der sogenannten Schlepperei fest. Drei von ihnen waren Refugees aus dem Servitenkloster. Die Inszenierung war perfekt. Mit diesen Beschuldigungen konnte der öffentliche Diskurs von Menschenrechtsfragen auf Kriminalität verschoben werden. Worauf sich die Anschuldigungen stützen, blieb ebenso unbeantwortet wie die Frage, wieso sie just zu diesem Zeitpunkt zu Festnahmen führten, als sich die öffentliche Meinung auf die Seite der Refugees zu schlagen drohte.
Bei manchen Aktivist_innen wurden Erinnerungen an die Operation Spring wach. Damals, 1999, wurden zahlreiche Aktivisten der Protestbewegung gegen die polizeiliche Tötung von Marcus Omofuma in der größten kriminalpolizeilichen Aktion seit 1945 als Drogenhändler verhaftet. Als Beweise dienten falsch übersetzte Abhörprotokolle, anonymisierte Zeugen, die ihre Aussagen teilweise selbst wieder zurückzogen, ohne dass dies Folgen auf die Verurteilung hatte. Grundrechte schienen außer Kraft gesetzt. Polizei, Justiz, Politik, Massenmedien – alle spielten mit. (Zur Erinnerung: http://no-racism.net/rubrik/160/ )
Das vielstrapazierte Schlagwort von der Unschuldsvermutung scheint für die Refugees im medialen Diskurs nicht zu gelten.
Spätestens jetzt schlägt der Bericht in einen Kommentar um:
Die Frage aufzuwerfen, was daran verwerflich sein soll, anderen Menschen bei der Flucht vor Unterdrückung und Tod zu helfen, scheint in diesem Kontext schon gar nicht möglich. Selbst nicht-kommerzielle Fluchthilfe ist mit Kosten verbunden, die abgedeckt werden müssen. Ist es nicht schön, wenn es Leute gibt, die anderen damit das Leben retten? Was sind das für Menschen, die das nicht tun, oder gar kriminalisieren?
(Alt aber gut: Interview mit Fluchthelfer_innen in TATblatt + 120/121/122/123 aus dem Jahr 1999: http://tatblatt.net/120fluchthelferinnen.htm)
Wie aber kann so argumentiert werden, ohne Gefahr zu laufen, dass die an den Haaren herbeigezogenen Vorwürfe gegen Refugees im Servitenkloster dadurch für manche plausibel klingen?
Fest steht: Vonseiten der Politik und Behörden wird gelogen, dass sich die Klosterbalken biegen. Die Fremdengesetze sind menschenverachtend. In der Asylpraxis werden selbst diese Gesetze noch zuungunsten der Schutzsuchenden missachtet. Warum sollte noch irgendeinem Vorwurf Glauben geschenkt werden? Warum sollte irgendeines der Fremdengesetze zum Maßstab für Recht oder Unrecht dienen?
Die Polizei kündigt weitere Festnahmen und weitere Abschiebungen an.
Zumindest 1100 Menschen demonstrierten am Abend des 30. Juli in Wien gegen den Wahnsinn.
Radiobeitrag mit Interviews mit einem Refugee-Sprecher, einer Unterstützerin, einem Gemeinderat und einer Nationalratsabgeordneten auf der Solidemo am 29.7.2013: http://cba.fro.at/244033