Okt 202010
 

Von Dienstag kurz vor 21 Uhr bis Montag früh war das Audimax der Universität Wien mal wieder kurz besetzt. Davor hatten Studierende nach dem Ende eines großen Sternmarsches mit Abschlusskundgebung am Ballhausplatz den Hörsaal 7 zur Durchführung einer alternativen Vollversammlung besetzt. Dieser platzte aber binnen kürzester Zeit aus allen Nähten. Begleitend von Sambaklängen zogen daher zahlreiche Studierende zum Audimax. Versuche, die Tore zu öffnen, scheiterten jedoch an unnachgiebigen Schlössern, bis, … ja bis irgendeine Person eine Tür – wie es aussieht von innen – öffnete. Wer das gewesen sein könnte, ob es sich gar um eine_n Unimitarbeiter_in handelte, ist Gegenstand von aus Sicherheitsgründen unterlassenswürdigen Spekulationen.

Seitens der Universität wurde kurzfristig versucht, die Besetzer_innen durch Sperren aller Universitätseingänge zu isolieren. Ein Security-Mitarbeiter, der die einzige noch geöffnete Tür bewachen sollte, war mit seiner Aufgabe allerdings bald überfordert, als ein zweiter Türflügel von Studierenden gewaltlos geöffnet wurde. Die Zahl der Securitys wurde daraufhin zwar verdoppelt – es kam also ein zweiter dazu –, Studierende entschlossen sich aber mit entgegengesetztem Interesse auch zur Bewachung der Tür und sicherten so den freien Hochschulzugang zumindest in dieser Nacht.

Im Audimax wurde erst ein Plenum abgehalten, dann Fernsehen geschaut, sich selbst in den ORF-Nachrichten zugejubelt, und dann eine Party gefeiert.

Der Besetzung vorangegangen waren von Rektor_innen initiierte Vollversammlungen an allen Universitäten und ein Sternmarsch von den Unis zum Parlament und mit gemeinsamer Abschlussveranstaltung am Ballhausplatz. An diesen Demonstrationen haben nach Nochrichten.net-Zählung zwischen 13.000 und 15.000 Personen teilgenommen.
Am Demozug von der Uni Wien beteiligten sich 9000 Personen, darunter zirka 2000, die bereits von der Boku gekommen waren, und 1000 im Block der Mediziner_innen (wobei diese Zuordnung hochgradig fehlerbehaftet sein kann).
Im Demozug von der TU befanden sich kurz vor dem Parlament rund 4000 Menschen.

Die Kundgebung am Ballhausplatz blieb hinter den inhaltlichen Standards der Uni-brennt-Bewegung des Vorjahres weit zurück. Weder gab es Simultanübersetzung in Österreichische Gebärdensprache, noch gendergerechte Moderation. Kritik an der Bildungspolitik blieb auf Unibelange beschränkt. Von grundlegender Systemkritik oder zumindest halbwegs gesamtgesellschaftliche Aspekte berücksichtigenden Statements war keine Spur auszumachen. Selbst die restriktive und auch zahlreiche Studierende treffende Abschiebepolitik sowie rassistische Diskriminierung blieb unerwähnt, obwohl nur wenige Stunden zuvor am selben Platz gegen die geplanten Verschärfungen des Fremdenrechts protestiert wurde, und 2000 Schüler_innen mit einer der lebhaftesten Demonstrationen der letzten Monate gegen den Abschiebeversuch an einer Kollegin und für Bewegungsfreiheit für alle durch die Straßen Wiens gezogen waren. Solidarität schien ein Fremdwort geworden zu sein für die Studierenden.

Ein Eindruck, der im Audimax zumindest einigermaßen revidiert wurde. Unmittelbar nach der Besetzung zierten mit Kreide geschriebene Parolen für offene bzw. keine Grenzen, für Bewegungsfreiheit und gegen Sexismen die Wände.

>>ZIP-FM-Lokalausgabe mit Telefoninterview mit Uni-brennt-Aktivist_innen über die Audimax-Besetzung, deren Ende, Repression gegen eine frühmorgendliche Demo, über Kritik an der gestrigen Demo und die Frage, wie es weitergeht, sowie mit Ausschnitten aus der Abschlusskundgebung.

>>Aufzeichnung der Abschlusskundgebung des Uni-Sternmarsches am Ballhausplatz (unbearbeiteter O-Ton)
>>Video-Live-Stream aus dem Audimax der Uni Wien: http://ustre.am/c6pZ
>>unibrennt.at/unsereuni.at – bisweilen überlastet

 Posted by on Mi., 20. Oktober 2010 at 00:58