Apr 292010
 

Wenn die Polizei gerade mal ihr Image aufpolieren möchte, spielt sie unter dem Titel „Fair und Sensibel“ gegen den FC Sans Papiers auch mal Fußball. Am 29. April setzte sie hingegen ein widerliches Foul und verhaftete 16 Mitglieder des Fußballvereins – Spieler samt Trainer – während eines Trainings auf der Marswiese und brachte sie in Schubhaft.

Noch am Abend des selben Tages sollten zwei von ihnen abgeschoben werden, hieß es am Nachmittag. Und tatsächlich konnten Antirassist_innen nach 19.30 Uhr beobachten, wie Ugonna Boniface C., Trainer der Sans Papiers, in einem Arrestant_innenwagen vom Polizeilichen Anhaltezentrum Hernalser Gürtel weggebracht werden sollte. Kurzerhand blockierten sie das Polizeifahrzeug. Binnen kurzer Zeit gesellten sich zu den anfänglich gerade mal sieben Demonstrant_innen rund 400 weitere. Trotz heftigen Polizeieinsatzes gelang es ihnen, den Abtransport des Fußballers für rund zwei Stunden und möglicherweise seine für angeblich 22 Uhr vom Flughafen Wien geplante Abschiebung zumindest vorerst zu verhindern. Mittlerweile versucht Asyl in Not zugunsten der Sans Papiers zu intervenieren. 14 von ihnen sollen inzwischen wieder frei sein.

Nach Bekanntwerden der Festnahme der Fußballer wurde über SMS, Internet und Radio zu Protesten gegen deren Abschiebung beim PAZ Hernalser Gürtel und bei der Kundgebung für den Erhalt des Amerlinghauses am Rathausplatz aufgerufen. Vor 20 Uhr begaben sich viele Personen vom Rathausplatz zum PAZ.

Gegen 21 Uhr waren es bereits rund 400 Menschen, die das Arrestfahrzeug vor dem PAZ blockierten. Einige standen vor und hinter dem Fahrzeug, andere blockierten erst Teile der Gürtelfahrbahn, später auch die Kreuzung Alser Straße.

Um 20.14 (laut Bericht auf Indymedia) wird Ugonna Boniface C. aus dem Fahrzeug geholt, nach einem Tumult aber von der Polizei wieder hineingesetzt.

Immer mehr Polizei – einzelne Wega-Kräfte, mehrere Hundeführer_innen samt Hunden, großteils „normale“ Beamt_innen – kommt vor Ort. Nach zweimaliger Aufforderung den Platz zu verlassen, beginnt die Polizei die Demonstrant_innen vor und hinter dem Fahrzeug wegzutragen. Dabei wird verhältnismäßig brutal vorgegangen. Die Leute werden teilweise an den Haaren gezerrt, über den Boden geschleift, aus einem halben Meter Höhe mit dem Kopf voran fallen gelassen oder später gegen Hauswände gestoßen.

Als die meisten Demonstrant_innen vom Auto weggebracht worden waren, hatten andere Demonstrant_innen die Kreuzung Alser Straße so gut blockiert, dass der Arrestant_innenwagen wieder nicht wegfahren konnte. Nach einer dritten Aufforderung, den Platz zu verlassen, wurden auch sie von der Polizei weggedrängt und weggestoßen.

Weit kam das Polizeifahrzeug mit dem Schubhäftling trotzdem nicht, da einer der Reifen keine Luft mehr hatte. Die Polizei lud daraufhin eine Gasse weiter den Gefangenen in ein Ersatzfahrzeug um. Dieses konnte von den Demonstrant_innen nicht mehr aufgehalten werden.

Ob von vornherein geplant, wie die Polizei über Medien verlautete, oder Folge der Blockade: Ugonna Boniface C. wurde schließlich nicht zum Flughafen gebracht, sondern ins Polizeiliche Anhaltezentrum Rossauer Lände.

Auch 250 Demonstrant_innen zogen daraufhin zur Rossauer Lände – praktisch ungestört, fast ohne Polizeibegleitung. Erst vor dem PAZ erwartete sie ein größeres Polizeiaufgebot hinter Tretgittern, die auf der dafür gesperrten Lände aufgestellt waren. Um 2 Uhr früh, als nur mehr rund 20 Demonstrant_innen noch durchgehalten hatten, gab die Polizei die Fahrbahn wieder für den Verkehr frei.

Insgesamt wurden bei den Protesten mindestens 39 Personen festgenommen. Die meisten von ihnen wurden noch vor Mitternacht freigelassen. Drei, denen Sachbeschädigung vorgeworfen wird, mussten länger auf ihre Vernehmung warten. Auch sie kamen Freitag laut Polizei wieder frei. Zumindest bei zwei wurde dies von der Rechtshilfe bestätigt.

Von den 16 am Nachmittag festgenommenen Fußballern sollen sich am Abend nur noch zwei – unter ihnen Ugonna Boniface C. – in Schubhaft befunden haben. Mit ihrer Abschiebung muss in den nächsten Tagen gerechnet werden. Asyl in Not versucht nach Aussagen eines vermittelnden grünen Bezirksrats ihnen zu helfen.

Für heute Freitag um 12 Uhr wird zu einer Soliddaritätskundgebung aufgerufen. Über den Ort gibt es verwirrende Angaben. So heißt es auf Indymedia Rossauer Kaserne, vermutlich ist aber das PAZ in der Rossauer Lände gemeint.
http://at.indymedia.org/node/18027

Bericht über den Polizeieinsatz gegen die Sans Papiers auf Indymedia:
https://at.indymedia.org/node/18023

Minutiöser Bericht über die Proteste auf Indymedia:
https://at.indymedia.org/node/18026

Bericht vom zivilen Ungehorsam gegen eine drohende Abschiebung auf no-racism.net:
http://no-racism.net/article/3347/

Alles über den FC Sans Papiers:
http://fcsanspapiers.org

PS: Für den 1. Mai gab es bereits zuvor Aufrufe zu „antirassistischen Interventionen“ beim Maiaufmarsch der SPÖ. Diese erhielten durch die aktuelle Schubhaft der Sans Papiers neue Nahrung. Treffpunkt: 1. Mai, 8.45 Uhr, Unirampe. Mehr Informationen dazu:
http://no-racism.net/article/3345/

PPS: Kundgebung für ein BLEIBERECHT FÜR ALLE!
13.00 Markus-Omofuma-Denkmal vor dem Museumsquartier / Ecke Mariahilfer Str.

 Posted by on Do., 29. April 2010 at 18:57