Jul 222014
 

Mit einem Schuldspruch in allen Anklagepunkten endete am 22. Juli 2014 der Prozess gegen den Antifaschisten Josef in erster Instanz. Er wurde zu 12 Monaten Haft, davon 8 Monate bedingt, verurteilt. Da er bereits 6 Monate in Untersuchungshaft verbracht hatte, durfte Josef nach dem Urteil das Gefängnis verlassen.

Josef wurde vorgeworfen, bei der Demonstration gegen den Akademikerball deutschnationaler Burschenschaften am 24. Jänner 2014 Landfriedensbruch in Rädelsführerschaft, versuchte schwere Körperverletzung und schwere Sachbeschädigung begangen zu haben. Eine am 6. Juni erfolgte Ausdehnung der Anklage auf absichtliche schwere Körperverletzung (Strafdrohung mindestens ein Jahr bis fünf Jahre Haft) wurde von der Staatsanwaltschaft im Schlussplädoyer zurückgenommen.

Von den zahlreichen Zeug_innen würdigte der Schöff_innensenat letztlich nur die belastenden Aussagen eines Polizisten, der sich als Demonstrant verkleidet unter die Demonstrant_innen gemischt hatte. Der hatte zwar orientiert an vorgebrachten Gegenbeweisen wiederholt seine Aussage verändert, das Gericht hielt ihn dennoch für glaubwürdig. Seine Behauptung, dass er Tonaufnahmen habe, in denen zu hören sei, wie Josef Anweisungen an andere Demonstrant_innen gebe, wurde bereits vor Prozessbeginn mit einem Stimmgutachten widerlegt. Seine Behauptung, dass Josef ein Polizeiauto vor der Polizeiinspektion Am Hof zertrümmert habe, mag bezweifelt werden, nachdem während des Prozesses in einem Video zu sehen war, dass sich Josef zum Tatzeitpunkt ganz woanders befunden hatte. Dass die belastenden Behauptungen des Polizisten von keiner_m einzigen seiner Kolleg_innen bestätigt werden konnten, mag vielleicht auch zu denken geben. Letztlich zählten für das Gericht doch nur die belastenden Aussagen des einen Polizisten.

Das Urteil ist bei weitem nicht das erste und einzige, bei dem mit mehr als fragwürdigen Beweisen generalpräventiv soziale Bewegungen eingeschüchtert werden sollen. Auf Twitter erinnerte unter anderem @matahari_etc an die „Operation Spring“-Verfahren, bei denen von 1999 bis 2005 insgesamt tausend Jahre Haft über Personen aus der Black Community in Wien verhängt wurden. Damals wurde die schwarze Protestbewegung gegen Rassismus zu zerschlagen versucht.

Der Prozess gegen Josef wird von Beobachter_innen als Versuch gedeutet, vor der Teilnahme an antifaschistischen Demonstrationen Angst zu machen. Egal ob eins Straftaten begeht, kann die Teilnahme an einer Demo im Gefängnis enden. Getroffen habe es jetzt vorerst einen, gemeint seien allerdings alle. In Zusammenhang mit der Demo gegen den Akademikerball sind noch 516 Anzeigen nach §274 Landfriedensbruch offen, erinnert das Solikollektiv für die Repressionsbetroffenen. Der Antifaschist Hüseyin, dem ebenfalls Landfriedensbruch im Rahmen der antifaschistischen Proteste am 24. Jänner vorgeworfen wird, befindet sich noch in Untersuchungshaft. Hüseyin wurde nach der Demonstration gegen einen Aufmarsch der „Identitären“ angeblich wiedererkannt und festgenommen.

Immerhin ist Josef nun in Freiheit. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Verteidigung hat drei Tage Zeit, um Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung gegen die Strafhöhe einzulegen. Die Schuldfrage kann bei einem Schöff_innengerichtsurteil nicht mit Berufung angefochten werden.

Aus Protest gegen das Urteil findet am Samstag, dem 26. Juli eine Demonstration statt. Treffpunkt: Samstag, 26. Juli, 18 Uhr, Stephansplatz.

Hintergrundinformationen beim Solikollektiv für die Repressionsbetroffenen:
http://soli2401.blogsport.eu/

Prozessbericht:
http://prozess.report/

Radiobeiträge der Von-unten-Redaktion bei Radio Helsinki in Graz:

Der Fall Josef S. oder die österreichische Justiz ist ein Sumpf: http://cba.fro.at/265112 Interview mit Prozessbeobachterin Olja Alvir: http://cba.fro.at/265108 #freejosef

Pressekonferenz von Michael Genner und den Anwält_innen Clemens Lahner und Kristin Pietrzyk nach der Urteilsverkündung:

 Posted by on Di., 22. Juli 2014 at 22:59