Jan 052009
 

Der Besuch von Freund_innen in Wien wurde dem in der Schweiz als Konventionsflüchtling anerkannten Mesut T. zum Verhängnis. Die Schweiz gewährt im Asyl, da er in der Türkei politisch verfolgt wird. Die österreichische Polizei nahm ihn aufgrund einer Erscheinungsform dieser Verfolgung – einem Haftbefehl wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen politischen Gruppe – auf der Rückfahrt in die Schweiz fest und plant, ihn in die Türkei abzuschieben – trotz Verbots gemäß Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention, ihn in ein Land auszuweisen, in dem ihm Verfolgung droht.
Mesut T. befindet sich im Hungerstreik. Im Fall seiner Auslieferung in die Türkei erwarte ihn laut „Asyl in Not“  die sofortige Inhaftierung und neuerliche Folter. Infolge seiner schlechten Gesundheit bedeute dies nach Einschätzung von „Asyl in Not“ seinen Tod.

(Urgent-Mail von Asyl in Not)

Anerkannter Flüchtling vor Auslieferung an die Türkei!

Am Samstag, dem 03.01.2009, wurde der von der Schweiz und von Deutschland anerkannte Konventionsflüchtling Mesut Tunç in Österreich aufgrund eines internationalen Haftbefehls der türkischen Behörden festgenommen und sitzt seither in der Justizvollzugsanstalt Salzburg in Auslieferungshaft.

Er hatte Freunde in Wien besucht und befand sich mit seiner ebenfalls asylberechtigten Frau und seinen Kindern in der Westbahn auf der Rückreise in die Schweiz, wo die Familie ihren Wohnsitz hat. Angehörige und Freunde haben sich an Asyl in Not mit der Bitte um Hilfe gewandt.

Wegen seiner politischen Aktivitäten für eine linksgerichtete Gruppe (DHKP-C) war Mesut Tunc in der Türkei jahrelang inhaftiert, wurde gefoltert und zu lebenslanger Haft verurteilt. Die türkischen Behörden beschuldigten ihn der Mitgliedschaft in einer „Terrororganisation“ und der Teilnahme an bewaffneten Aktionen, die 1994 stattgefunden haben sollen.

Im Jahre 2002 beteiligte er sich am Todesfasten für bessere Haftbedingungen und gegen die Einführung von Isolationszellen. Wegen seines Gesundheitszustandes wurde seine Haft kurzfristig ausgesetzt. Er nützte die Gelegenheit zur Flucht nach Deutschland, beantragte Asyl und wurde vom dortigen Bundesamt als Flüchtling anerkannt.

Aus familiären Gründen verlegte er seinen Lebensmittelpunkt im Jahre 2005 in die Schweiz, wo seine Gattin (ebenfalls anerkannter Flüchtling) lebt, und erhielt mit Bescheid vom 29.5.2008 auch dort Asyl.

Bemerkenswert ist, dass die Schweizer Behörden ihn im Asylbescheid warnten, „dass die Anerkennung als Flüchtling lediglich für die Schweiz gilt. Unser Land verfügt nur über sehr beschränkte Einwirkungsmöglichkeiten, sollten Sie im Ausland im Rahmen eines Straf- oder Auslieferungsverfahrens behördlichen Maßnahmen ausgesetzt sein.“

Mesut Tunc hatte im Asylverfahren aus seinen Fluchtgründen offenbar kein Hehl gemacht, sodaß die Schweizer Behörden mit Recht von derartigen Versuchen des türkischen Regimes ausgehen konnten.

Infolge des Todesfastens und der Folterungen ist er weiterhin gesundheitlich eingeschränkt und befindet sich in Behandlung.

Ein im deutschen Asylverfahren vorgelegter Befund des Psychosozialen Zentrums des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt am Main bescheinigt ihm eine posttraumatische Belastungsstörung mit andauernder Persönlichkeitsänderung und eine durch das Todesfasten ausgelöste hirnorganische Schädigung (Wernicke-Korsakoff-Syndrom), die ihn ständig hilfsbedürftig macht.

Obwohl er als anerkannter Flüchtling gemäß Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in ein Land ausgewiesen werden darf, wo ihm Verfolgung droht, und obwohl Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention das Folterverbot festschreibt, sitzt Mesut Tunc in Auslieferungshaft.

Er befindet sich im Hungerstreik. Im Fall seiner Auslieferung in die Türkei erwartet ihn dort die sofortige Inhaftierung und neuerliche Folter. Infolge seiner schlechten Gesundheit bedeutet dies aller Voraussicht nach seinen Tod.

Das Vorliegen von Ausnahmeklauseln im Sinne der Konvention (Gefährdung der Sicherheit Österreichs, schwere nichtpolitische Verbrechen u.dgl.), welche die Auslieferung rechtfertigen könnten, wurde von den österreichischen Behörden bisher – soweit aus dem uns bisher vorliegenden Akt ersichtlich – nicht geltend gemacht; auch waren solche Vorbehalte von den deutschen und Schweizer Asylbehörden zu prüfen und nicht von Österreich.

Asyl in Not fordert die österreichischen Behörden daher auf, die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention (die in Verfassungsrang steht) zu respektieren und sich nicht zu Handlangern des türkischen Verfolgerregimes zu machen.

Asyl in Not fordert die österreichische Bundesregierung auf, der türkischen Regierung klar zu machen, dass sie von ihren Kritikern und Gegnern die Finger zu lassen hat, wenn diese in einem europäischen Land Schutz gefunden haben und sich bei uns auf Besuch befinden.

Asyl in Not fordert, dass Mesut Tunc unverzüglich aus der Haft entlassen wird und mit seiner Familie in die Schweiz zurückkehren kann.

Für die Verhängung der Auslieferungshaft ist die Staatsanwaltschaft Salzburg zuständig. Sie untersteht dem Bundesminister für Justiz. Emails daher bitte an:
ministerbuero@bmj.gv.at
(z.H. derzeit noch Johannes Hahn)
Kopien bitte an office@asyl-in-not.org

Rückfragehinweis:

Michael Genner (Obmann von Asyl in Not), 0676 / 63 64 371

www.asyl-in-not.org

Spendenkonto:
Raiffeisen (BLZ 32000),
Kontonummer 5.943.139, Asyl in Not

 Posted by on Mo., 5. Januar 2009 at 17:41