Apr 252015
 

Am Freitag, dem 24. April, vor 100 Jahren begann der Genozid an den Armenier_innen, verantwortet vom Osmanischen Reich, damals Verbündeter von Österreich-Ungarn im ersten Weltkrieg. Nicht zuletzt in der Türkei werden die Gräueltaten bis heute nicht als Genozid anerkannt. Das offizielle Österreich erkennt den Massenmord seit gerade mal drei Tagen an. Erst nach fast 100 Jahren, also am Dienstag dieser Woche, wurde eine entsprechende gemeinsame Erklärung aller Nationalratsfraktionen verabschiedet.
Für eine weltweite Anerkennung des Genozids an 1,5 Millionen Armenier_innen und im Gedenken an dessen Opfer demonstrierten am 24. April in Wien 2.500 Menschen vom Resselpark zum Parlament. Aufgerufen dazu haben unter anderem Organisationen von Armenier_innen in Österreich sowie viele linke Gruppen – von der armenisch-apostolischen Kirchengemeinde über den armenischen Sport- und Pfadfinder_innenverein „Homenetmen“ bis zu KOMintern und ATIGF.
Gleichzeitig zogen 3000–4000 türkische Nationalist_innen, die von einem Genozid nichts wissen wollen, vom Westbahnhof zum Heldenplatz. Der Gedenkdemo mussten die Nationalist_innen weiträumig über das Schottentor ausweichen.
Es wurde vorgeblich im Namen der in Österreich lebenden türkischen Menschen die „Enttäuschung“ darüber ausgedrückt, dass der Nationalrat „die Ereignisse von 1915 gemäß einseitiger armenischer Erzählung als Völkermord verurteilt hat“, ohne ihre „Gefühle, Gedenken sowie Erinnerungen“ zu berücksichtigen. Die armenische Seite habe mit Besatzungsmächten kollaboriert und bis heute keine Erklärung abgegeben, dass sie den Tod von türkischen Zivilist_innen bedauere. Zwar hätten auch Armenier_innen bei Umsiedlungen Verluste erlitten, das sei aber ein gemeinsames Leid und kein Völkermord. „Völkermord“ sei eine Lüge, so Demoredner_innen.
Da die Teilnehmer_innen der Demo mit türkischen und österreichischen Fahnen beschenkt worden waren, vermittelte der Aufmarsch das Bild eines regelrechten Fahnenmeeres. Rechtsextreme Gruppen sollten offenbar nicht offensichtlich in Erscheinung treten. Bei Aufmärschen türkischer Nationalist_innen übliche Fahnen der Grauen Wölfe waren nicht zu sehen. Lediglich eine Fahne mit einem Wolfskopf wurde mitgetragen (deren Bedeutung mir nicht klar ist – die offiziellen Flaggen und Symbole der Grauen Wölfe sehen anders aus). Besonders auf der Abschlusskundgebung wurde jedoch von vielen die Hand zum „Wolfsgruß“ gehoben. Es sah so aus, als ob Ordner_innen – zumindest teilweise in Kontakt mit dem Verfassungsschutz – offen rechtsextreme Handlungen zu unterbinden trachteten.

 Posted by on Sa., 25. April 2015 at 15:35