Jul 312016
 

In der Nacht von 15. auf den 16. Juli 2016 versuchten in der Türkei Militärangehörige einen Putsch, der bereits nach wenigen Stunden scheiterte. Noch in derselben Nacht demonstrierten – nach unterschiedlichen Angaben – zwischen 1000 und 4000 Menschen in Wien ihre Unterstützung der bedrohten AKP-Regierung in der Türkei, nach deren Darstellung: der türkischen Demokratie. Sie zogen von der türkischen Botschaft in die Innenstadt.

Ebenfalls noch in der Nacht des Putsches veröffentlichte die „Neue Linkswende“ auf Facebook einen Aufruf zu einer „Demonstration gegen den Militärputsch in der Türkei“ am Nachmittag des 16. Juli mit Treffpunkt Christian-Broda-Platz. Der Putsch missachte die Demokratie, hieß es unter anderem in der Begründung. Der Aufruf wurde von vielen Facebook-User_innen kritisiert, die darin eine Parteinahme für die AKP-Regierung sahen, und befürchteten, dass die „Neue Linkswende“ hier wohl Seite an Seite mit nationalistischen, islamistischen und faschistischen Anhänger_innen des türkischen Präsidenten Erdoğan marschieren werde. Viele kritische Postings wurden umgehend gelöscht. Später rief auch die AKP-nahe UETD Austria (Union Europäisch-Türkischer Demokraten) zur Teilnahme an der Demonstration auf.

Bereits am Treffpunkt der „Demonstration gegen den Militärputsch in der Türkei“ ging die „Neue Linkswende“ mit zwei Transparenten und möglicherweise demokratiefreundlichen Inhalten in einem Meer von türkischen Fahnen, mehreren Erdoğan-Bildern, Allahu-Ekber-Rufen und auch „Wolfs-Grüßen“ der faschistischen Grauen Wölfe unter. Einzelne Personen auf dem „Linkswende“-Umfeld dürften bereits hier ihre Demonstration verlassen haben. Es gab aber keine erkennbaren Distanzierungen und keine sichtbaren Versuche, Nationalist_innen, Islamist_innen und Faschist_innen zu stoppen.
Kurz nach 17 Uhr zog die Demonstration los – über die Mariahilfer Straße zum Platz der Menschenrechte und schließlich weiter bis zum Heldenplatz.

Bei einem Restaurant der als kurdisch betrachteten Kette „Türkis“ wurde von mehreren Personen der Schanigarten verwüstet: Scheiben wurden zerschlagen, Sessel zusammengetreten. Vor dem Vorfall warnten einzelne Demonstrant_innen Unbeteiligte und forderten sie auf wegzugehen, weil hier gleich was passieren würde. Die Polizei hielt die Demo kurz auf, positionierte einzelne Polizist_innen vor dem Lokal – unter ihnen einen Kameramann –, schaute letztendlich dem Angriff aber nur zu und filmte.
Dieser Angriff dürfte dann doch auch den letzten „Linkswende“-Anhänger_innen zu viel gewesen sein, die daraufhin nach Angaben auf deren Website die Demo verlassen haben sollen.

Nach einer Abschlusskundgebung beim Reiterstandbild von Erzherzog Karl am Heldenplatz, bei der auch der Lautsprecher eines Polizeiwagens verwendet werden durfte, löste sich die Demo großteils auf. Einige demonstrierten wieder zurück zum Christian-Broda-Platz. Einzelne dürften noch in Kleingruppen Angriffe auf kurdische Einrichtungen wie das Vereinslokal von „Feykom“ vorgehabt haben, die Meldungen im Internet zufolge aber abgewehrt werden konnten.

Die „Neue Linkswende“ bezeichnete die Demonstration in einem am 17. Juli veröffentlichten Text noch enthusiastisch als „Jubeldemo“. Einen Tag später räumte sie eine „unkontrollierbare Dynamik“ ein. Am 20. Juli veröffentlichte sie eine Stellungnahme, in der ein „schwerer politischer Fehler“ eingestanden wurde.

Bericht von Michael Bonvalot: http://www.bonvalot.net/die-linke-die-linkswende-und-der-politische-islam-754/

An einer Kundgebung mit der Forderung „Weder Militär noch AKP“ am 20. Juli bei der Oper, zu der die Union demokratischer Kräfte „Demokratik Güc Birligi Avusturya“ aufgerufen hatte, nahmen lediglich 200 Personen teil.

 Posted by on So., 31. Juli 2016 at 17:04