Nov 152010
 

Anlässlich des Jahrestags des Novemberpogroms 1938 gab es auch heuer wieder mehrere Gedenkveranstaltungen.

Drei Beispiele:

So wurde wie jedes Jahr am 9. November am Platz der Opfer der Deportation im 3. Bezirk, wo früher der Aspangbahnhof war, von dem aus zehntausende Jüd_innen in den Jahren 1939–1942 Wien in Richtung Vernichtungslager verlassen mussten, eine Gedenkkundgebung abgehalten.

Das >>Wiener Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien wählte eine am 9. November 1938 verwüstete aber nicht abgebrannte und daher noch stehende, aber zuletzt als Billa-Filiale genutzte Synagoge in der Kaschlgasse im 20. Bezirk als Ort einer Gedenkveranstaltung. Die Synagoge war im unteren Teil eines Wohnhauses untergebracht, und deswegen von den antisemitischen Wiener Horden nicht in Brand gesteckt worden.

Von außen deutet bis heute nichts auf die Geschichte des Hauses hin. Lediglich anhand der Scheiben ist noch erkennbar, dass mal ein Billa drin war. Eine Gedenktafel wurde von der Bezirksvertretung des 20. Bezirks verweigert, weil es eh schon am Ort der früheren Synagoge in der Kluckygasse eine gebe, berichten die Architekturarchäologen Bob Martens und Herbert Peter,

Das Wiener Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien beschreibt den Ort als unwirtlichen:

Nunmehr leer, treten lange verschüttete Schichten wieder hervor. Das Parteilokal [das Gebäude war nach Arisierung und Befreiung an die KPÖ vermietet worden] lässt sich nur mehr erahnen, vom Tanzsaal [eines Trachtenvereins] blieb die monumentale Schank, der Supermarkt zerriss die ursprüngliche Anordnung der Räume, hinterließ einen Geruch von Fleisch, verstaubte Heizgebläse und Sicherungskästen. Nicht Brauchbares wurde abgemauert, tote Räume entstanden. Allein Spuren an den Wänden, Fehlstellen in der provisorischen Decke, alte Stiegengeländer und Schwingtüren erzählen von der tiefsten, der ursprünglichen Schicht.

600 Plätze fasste die 1932 eingeweihte Synagoge des galizischen Bethaus- und Unterstützungsvereins »Bene Berith«. In ein Wohnhaus integriert, entging der im Novemberpogrom verwüstete Bau damals seiner vollkommenen Zerstörung. Dennoch wird die Auslöschung augenscheinlich: Weniger als ein Jahrhundert danach bedarf es archäologischer Methoden und komplexer Simulationen, um den ehemaligen Sakralbau zu erkennen.

Derartige Simulationen stellten Bob Martens und Herbert Peter an. Eindrücke davon sind auch in ihrem als Buch veröffentlichten virtuellen Stadtspaziergang zu den zerstörten Synagogen Wiens zu finden:
>>Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Stadtspaziergänge .

Der jedes Jahr im Gedenken an den Novemberpogrom stattfindende antifaschistische Stadtspaziergang führte heuer durch den 15. Bezirk.

Eine 44 Seiten starke Broschüre zum Gedenkspaziergang gibt es auf der Site der Rosa Antifa zum Downloaden:
>>http://raw.at/texte/sonstiges/9nov10.htm

Den Spaziergang zum Nachhören gibt es komplett, also die gesamten eineinhalb Stunden, im Sendungsarchiv von Orange 94.0 zu hören:
>>http://sendungsarchiv.o94.at/get.php?id=094pr4844

Der im Stadtspaziergang angesprochene Audioguide an Orte vernichteten jüdischen Lebens im 15. Bezirk ist hier zu finden:
>>http://herklotzgasse21.at/index.php?id=20
Der Audioguide ist im Rahmen eines Projekts der >>Herklotzgasse 21 in Zusammenarbeit mit Radio Orange 94,0 entstanden.

 Posted by on Mo., 15. November 2010 at 19:10